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Eine Kultur des Hinschauens für den Schutz unserer Kinder

Jugend, Familie & Soziales
13. Juli 2017

Erfolgreicher Fachtag und Fortbildungsreihe „Sexueller Missbrauch von Kindern und Jugendlichen“ im Landratsamt Berchtesgadener Land

Die Präventionsstellen des Amts für Kinder, Jugend und Familien und des Gesundheitsamts im Landratsamt Berchtesgadener Land haben Fachkräfte aus verschiedensten Berufsgruppen zu einer interdisziplinären Fachveranstaltung zum Thema „Sexueller Missbrauch von Kindern und Jugendlichen“ eingeladen. Mit 117 Teilnehmerinnen und Teilnehmer war der große Sitzungssaal im Landratsamt voll besetzt. Dies zeigt das große Interesse der Fachkräfte und Experten, gemeinsam gegen dieses Tabuthema verstärkt vorzugehen.


Kinder und Jugendliche sind häufiger von sexueller Gewalt betroffen als gedacht. Die Weltgesundheitsorganisation geht davon aus, dass etwa jedes 8. Kind mit Missbrauchserfahrungen konfrontiert ist. Wird diese Annahme auf Kindergartengruppen oder Schulklassen übertragen, so befinden sich statistisch betrachtet in jeder Gruppe oder Klasse 1 - 2 betroffene Kinder. Bundesweit werden täglich rund 33 Fälle im Bereich „sexueller Missbrauch von Kindern“ polizeilich erfasst.


In der polizeilichen Kriminalstatistik 2016 wurden deutschlandweit im sogenannten Hellfeld 12.019 Fälle von sexuellem Missbrauch erfasst. Auf das Jahr gesehen sind es durchschnittlich 33 Fälle pro Tag. Dabei ist nicht berücksichtigt, dass mit einem Täter/einer Täterin durchaus mehrere Opfer in Verbindung stehen können. Genaue Zahlen zu definieren ist jedoch nicht möglich, da nach wie vor von einer hohen Dunkelziffer ausgegangen werden muss. Diese bedingt sich beispielsweise aufgrund der hohen Sensibilität dieser Thematik oder durch die weitreichenden Konsequenzen nach Aufdeckung – vor allem wenn die Tat im nahen sozialen Umfeld begangen wird, was in etwa bei drei von vier Fällen zutrifft. „Der oder die Fremde“ als Täter oder Täterin stellt eher die Ausnahme dar. Hinzu kommt, dass sehr viele betroffene Kinder bis zu 7 Anläufe benötigen, bis sie endlich Gehör finden. Nicht selten stellen Kinder den Versuch, sich mitzuteilen, nach ersten gescheiterten Hilferufen ein. Der erlebte Missbrauch bleibt somit weiterhin unaufgedeckt.


Zum Schutz der Kinder sind die Erwachsenen gefragt!

Besonders gefährdet sind Kinder im Kindergarten- und Grundschulalter. Starke, selbstbewusste und aufgeklärte Kinder haben zwar ein geringeres Risiko, zum Opfer zu werden, aber diese Kompetenzen alleine und auch ein klares Nein des Kindes halten Täter/-innen nicht von ihrem Vorgehen ab.


KEIN KIND KANN SICH SELBER SCHÜTZEN!

Kinder brauchen dazu kompetente Erwachsene – Eltern, Fachkräfte aber natürlich auch alle anderen Erwachsenen sind dabei gefragt! Es gilt, eine Kultur des Hinschauens und Handelns zu entwickeln, die möglichen Tätern den Raum für Missbrauch nehmen.


Mit dieser Motivation wurde auch der Fachtag „Sexueller Missbrauch von Kindern und Jugendlichen“ organisiert. Im Rahmen von drei interdisziplinär ausgerichteten Fachvorträgen wurden spezifische Grundlageninformationen zu dieser Thematik vermittelt. Prof. Dr. Elisabeth Mützen, Oberärztin und Leiterin der Kinderschutzambulanz im Institut für Rechtsmedizin München, gab einen Einblick in die medizinische-diagnostische Perspektive der sexuellen Gewalt gegen Kinder und Jugendliche. Die Pädagogin Elke Schmidt von dem Münchner Verein AMYNA e.V. – GrenzwertICH - beleuchtete die Thematik der sexuellen Grenzverletzungen und Übergriffe durch Kinder und Jugendliche gegenüber Gleichaltrigen.


Dieses Phänomen ist zwar nicht neu, diesem wurde dennoch bisher zu wenig Beachtung geschenkt. Ute Schöbel, die Leiterin des Allgemeinen Sozialdienstes im Amt für Kinder, Jugend und Familien im Landratsamt Berchtesgadener Land, gab einen Einblick in die Vorgehensweise vom Jugendamt, wenn ein Verdachtsmoment oder ein konkreter Hinweis auf sexuelle Gewalt vorliegt. 117 Teilnehmerinnen und Teilnehmer nahmen an dieser Veranstaltung teil. Bemerkenswert war an diesem Tag die Vielfalt der anwesenden Berufsgruppen. Neben Ärzten, Psychologen, Therapeuten, Pädagogen, Erziehern und Lehrern, waren unter anderem auch Fachkräfte aus Fachberatungsstellen oder Vertreter der Staatsanwaltschaft im Plenum.


Das Resümee des Fachtages kann in vier Kernaussagen zusammengefasst werden:

  1. Das Erkennen von sexueller Gewalt betroffener Kinder ist in der Regel sehr schwer. Ein Warnsignal kann eine plötzliche und andauernde Verhaltensänderung beim Kind/beim Jugendlichen sein. Es muss kein Missbrauch dahinterstecken, sollte aber immer ernst genommen werden und als mögliche Ursache in Betracht gezogen werden.
  2. Auf Grenzverletzungen oder Übergriffe durch Kinder oder Jugendliche gegenüber Gleichaltrigen sollte immer adäquat reagiert und diese keinesfalls toleriert werden. Denn die Statistik zeigt, dass viele Täter/-innen sexuellen Missbrauchs bereits im Jugendalter auffällig waren. Statistisch betrachtet sind 26,7% der Tatverdächtigen zum Tatzeitpunkt unter 21 Jahre, 13% sogar zwischen 14 bis 18 Jahre alt (PKS 2017). Unverzichtbar sind zudem auch Präventionsmaßnahmen in Einrichtungen wie Kindertagesstätten oder Schulen.
  3. Sollte ein Verdacht auf sexuelle Gewalt gegen Kinder und Jugendliche bzw. ein „schlechtes Bauchgefühl“ aufkommen, kann im Zweifel auch beim Jugendamt eine (anonyme) Beratung erfolgen. Ute Schöbel aber auch die anderen Mitarbeiter/-innen im Allgemeinen Sozialdienst stehen dafür kompetent zur Verfügung.
  4. Obwohl bereits positive Entwicklungen und viele gute Maßnahmen im Bereich der Enttabuisierung der Thematik, Prävention und Intervention zu verzeichnen sind, darf man nicht müde werden, stetig weiter daran zu arbeiten.


Fortbildungsreihe in den Folgemonaten bereits ausgebucht

Abgerundet wird dieses Programm mit einer Fortbildungsreihe von vier Workshops, die auf verschiedene Aspekte und Zusammenhänge sexueller Gewalt eingehen. Der erste Workshop hat bereits stattgefunden. Rund 20 Teilnehmer/-innen bekamen in diesem Rahmen Grundlagen über die Präventionsarbeit in Bildungs- und Erziehungseinrichtungen vermittelt. Die Referentinnen Sandra Kunz aus dem Gesundheitsamt im Landratsamt Berchtesgadener Land und Sarah Tichowitsch vom Amt für Kinder, Jugend und Familien Berchtesgadener Land gingen dabei auf vertiefendes Grundlagenwissen ein – wie z.B. auf mögliche Täterstrategien oder die relevanten Bausteine der Präventionsarbeit sowie auf praxistaugliche Methoden, die sich für die Arbeit mit den Kindern und Jugendlichen gut eignen.


Im September werden in einem weiteren Workshop die erstrebenswerten „Schutzkonzepte in Bildungs- und Erziehungseinrichtungen“ in den Fokus gestellt, im Oktober wird der Umgang mit dem Thema „Sexualität und sexuelle Gewalt im interkulturellen Kontext“ ins Blickfeld gerückt. Abgeschlossen wird diese Veranstaltungsreihe im November mit dem Thema „Sexualisierte Gewalt im Internet“.


Alle Workshops haben großen Anklang gefunden und sind bereits ausgebucht. Es zeigt sich, dass im Landkreis Berchtesgadener Land der Kinderschutz ernst genommen und dafür Verantwortung übernommen wird.


Zusätzlich spezieller Workshop für Vereine

Im Herbst 2017 besteht zusätzlich die Möglichkeit, an einem Workshop speziell für Vereine teilzunehmen, mit dem Motto „Kein Raum für Missbrauch“. Hier stehen mit Laufen, Bad Reichenhall und Berchtesgaden drei verschiedene Veranstaltungsorte zur Auswahl. Eine Anmeldung dafür ist ab sofort möglich (praevention@lra-bgl.de).


» nähere Informationen zum Workshop