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Amphibienschutz am Taubensee

Umwelt & Natur
07. März 2025

Die Amphibienpopulation am Taubensee ist die wahrscheinlich individuenreichste verbliebene im Landkreis. Doch die Verluste durch den Straßenverkehr sind Jahr für Jahr enorm hoch. Um den Bestand und damit die umliegenden Wald- und Wasserökosysteme zu stabilisieren sind dringend Maßnahmen erforderlich. Doch wirksamer Amphibienschutz an Straßen ist nicht einfach umzusetzen. Als erster Schritt soll in den kommenden Wochen ein Teilstück der Reichenhaller Straße vorübergehend für den allgemeinen Verkehr gesperrt werden.


Der Niedergang der Amphibienpopulation am Taubensee ist zumindest in Zahlen eindrucksvoll belegt: Während 1981 noch knapp 5.000 Tiere an der Alpenstraße (B305) gezählt wurden, waren es zehn Jahre später nur noch 300. Dieser dramatische Rückgang kann theoretisch auch andere Ursachen als den Straßenverkehr haben. Als jedoch 2007 der Orkan „Kyrill“ die Wälder um das „Wachterl“ besonders stark traf und für erhebliche Verwüstungen sorgte, waren die Alpenstraße und die Alte Reichenhaller Straße monatelang gesperrt. In diesem Jahr konnte darum sowohl die Wanderung zum Gewässer, als auch die Rückwanderung in die umliegenden Wälder völlig gefahrlos vonstattengehen. In den darauffolgenden Jahren stieg die Population wieder sprunghaft an. Bei einer detaillierten Untersuchung im Jahr 2011 wurde die Zahl der über die Alpenstraße wandernden Tiere auf 4.500 und die über die Alte Reichenhaller Straße wandernden auf 2.000 Individuen geschätzt. Eine genaue Zählung der überfahrenen Tiere ergab, dass 54 Prozent der Tiere die Straßenquerung nicht überlebten. Es stand nun also außer Frage, dass die Verkehrsverluste ein wesentlicher Faktor für die Populationsschwankungen sind.

 

Wie kommt es zu den hohen verkehrsbedingten Verlusten?

Aufgrund der geringen Temperaturen in Frühlingsnächten queren die wechselwarmen Tiere Straßen oft nur sehr langsam. Wenn nach sonnigen Tagen der Asphalt erwärmt ist, bleiben sie sogar gerne auf den Straßen, um eine gute „Betriebstemperatur“ zu erreichen. Lebensgefährlich sind jedoch nicht nur die Reifen, unter denen die Tiere zerquetscht werden. Ein Auto, das schneller als 30 km/h fährt, verursacht einen Sog. Durch diese Luftdruckschwankungen unter oder neben einem vorbeifahrenden Fahrzeug zerreißen den Tieren innere Organe, woraufhin sie qualvoll verenden. Dabei muss es sich gar nicht um vielbefahrene Straßen handeln: Untersuchungen zeigten, dass schon zehn Fahrzeuge pro Stunde dazu führen, dass 25 Prozent der wandernden Tiere getötet werden. Bei 60 Fahrzeugen sind es 75 Prozent. 

 

Welche Lösungsansätze und Schwierigkeiten gibt es? 

Doch welche Möglichkeiten gibt es, die verkehrsbedingten Verluste zumindest so weit zu reduzieren, dass die Populationen nicht völlig zusammenbrechen? In ländlichen Gebieten, wie dem Ramsauer Talschluss sind Straßen unverzichtbare „Lebensadern“ und ein zentraler Bestandteil der Daseinsvorsorge. Bei Straßensperren muss also gewährleistet sein, dass Pendler zur Arbeit kommen, Einsatzkräfte verfügbar bleiben, der Schulbusfahrplan aufrechterhalten bleibt, die Post ausgeliefert wird, Waren und Dienstleistungen transportiert werden können und vieles mehr. Das führt dazu, dass eine Sperre immer nur ein Kompromiss sein kann. Der Bau einer „Leiteinrichtung“, mit der Tiere gefahrlos durch Tunnel zwischen den Teillebensräumen wandern könnten, ist extrem teuer und muss aufwändig von Amphibien-Experten geplant werden, damit sie funktioniert. Eine Lösung mit Schutzzäunen und Eimerfallen ist am Taubensee nicht umsetzbar. Es müssten insgesamt über zwei Kilometer Zaun im kleinstrukturierten und teils sehr steilen Gelände betreut werden. Es wäre ein beispielloser materieller und personeller Aufwand, der ausschließlich ehrenamtlich erbracht werden müsste. 

 

Wichtige Rolle von Amphibien in Ökosystemen

Wer nun eher weniger Sinn für die heimische Natur hat, könnte angesichts des Aufwandes, der zum Schutz von Amphibienpopulationen betrieben wird, auf die Idee kommen, dass in diesem Fall gesellschaftliche Prioritäten falsch gesetzt werden. Doch tatsächlich zielen diese Maßnahmen nicht nur darauf ab, dass es ein paar mehr von den glitschigen, glupschäugigen Viechern gibt, die wohl nur ein kleiner Teil der Bevölkerung so richtig niedlich findet. Amphibien machen einen bedeutenden Anteil der tierischen Biomasse in vielen Ökosystemen aus. In feuchten Bergwäldern – wie um den Taubensee – geht sogar der größte Teil der Wirbeltier-Biomasse auf sie zurück. Mehr noch als die Kleinsäuger, die diese Rolle in den meisten anderen heimischen Lebensräumen übernehmen. Ihre Rolle kann darum kaum unterschätzt werden: Die Kaulquappen stabilisieren ihr Gewässer, da sie enorme Mengen an Nährstoffen umsetzen. Die erwachsenen Tiere sind in den Landlebensräumen sehr wichtig für die Regulation von wirbellosen Tieren wie Insekten oder Schnecken, die sich sonst explosionsartig vermehren könnten. Andererseits sind Amphibien in allen Lebensstadien – an Land und im Wasser – ihrerseits eine wichtige Nahrungsgrundlage etwa für Libellenlarven, für Fische, Schlangen oder Vögel, die ihrerseits wieder positive, stabilisierende Auswirkungen auf die Ökosysteme haben. Amphibien setzen Nährstoffe um und verbinden so die Gewässer mit den Landlebensräumen. Bricht eine Population ein oder erlischt gar vollständig, so hat das gravierende Folgen für die Umgebung. Die Artenzusammensetzung einer Landschaft würde jedenfalls „auf den Kopf gestellt“: Gewässer werden artenärmer und können vollständig kippen. Es könnten sogar ganze Wälder Schaden nehmen, wenn sich Schädlinge ungehindert vermehren. So ist der Schutz von Fröschen, Molchen und Salamandern letztlich nicht nur eine kosmetische Maßnahme, sondern auf eine komplexe Weise der handfeste Schutz der eigenen Lebensgrundlagen. 

 

Künftige Sperre eines Abschnittes der Alten Reichenhaller Straße 

Als erster Schritt wurde nun in Zusammenarbeit von Landratsamt, Staatlichem Bauamt, der Gemeinde Ramsau, dem Landesbund für Vogelschutz und dem Landschaftspflegeverband beschlossen, den am stärksten betroffenen Abschnitt der Alten Reichenhaller Straße, im Wald oberhalb des Taubensees, zukünftig während der Hauptwanderung für den öffentlichen Verkehr zu sperren. Die Sperre ist mit minimalen Einschränkungen für den Verkehr möglich. Eine Umfahrung ist ausgeschildert und für den morgendlich verkehrenden Schulbus ist eine Ausnahme vorgesehen. Es ist anzunehmen, dass die Maßnahme durchaus einiges bewirken dürfte: Bei einer Stichprobenzählung im vergangenen Frühjahr wurden in mehreren Nächten über 50 überfahrene Tiere gezählt. Man kann also vermuten, dass durch die Sperre viele hunderte Tiere pro Jahr mehr das Laichgewässer erreichen. Für die Rückwanderung, insbesondere der Jungtiere, die über einen deutlich längeren Zeitraum hinweg stattfindet, ist das zwar keine Lösung, aber dies ist ein zentraler Schwachpunkt aller zeitlich begrenzten Lösungsansätze. Das Staatliche Bauamt Traunstein arbeitet aktuell auch an einer Entschärfung der Problematik an der Alpenstraße. So bleibt zu hoffen, dass verschiedene Maßnahmen in Summe in der Lage sind, die größte Amphibienpopulation im Landkreis zu erhalten und ihre Schlüsselfunktion in den Gebirgsökosystemen um das „Wachterl“ sichern.